Breitscheid und seine Ortsteile
Breitscheid
In der Schenkungsurkunde des Grafen Heinrich von Nassau an den Deutschen Orden wurde Breitscheid im Jahre 1230 erstmals erwähnt. In Wirklichkeit ist der Ort aber, wie auch die anderen Ortsteile, sehr viel älter. Durch Funde im Gemeindegebiet aus der Jung-Steinzeit ist erwiesen, dass bereits vor über 6000 Jahren Menschen auf Beutesuche in den zahlreichen Karsthöhlen Schutz suchten. Der Wasserreichtum im Karstgebiet Breitscheid-Erdbach-Medenbach und wildreiche Wälder waren mit der Grund für die frühe Besiedelung in einem Gebiet, das vor rund 400 Mio. Jahren in der Devonzeit aus einem Korallenstock entstanden ist.
Das ursprünglich landwirtschaftliche Dorf mit einer großen
Tradition des Töpferhandwerks hat sich strukturmäßig gewandelt und liegt auf einer großen Kalkplatte, die östlich nicht oder nur sehr gering von anderen Schichten überdeckt wird, so dass der Kalk im Tagebau abgebaut werden kann. Im Nordwesten wurde bis in die späten 1950er Jahre Braunkohle gefördert, im Süden ist der Ort von hochwertigem Ton umgeben.
Medenbach
Medenbach als größter Ortsteil der Gemeinde hat 1200 Einwohner bei einer Gemarkungsgröße von 668 ha. Der Ort liegt in einem Talkessel umgeben von Mischwäldern auf einer Meereshöhe von 330 m. Die topographische Lage, das enge Tal mit den sehr hohen Steilhängen, hat dazu geführt, dass sich Medenbach zu einem lang gezogenen Straßendorf entwickelte. Die Steilhänge und die Nähe zum Dillfeld machen Medenbach sehr beliebt für Bauwillige aus dem Ort, aber auch aus den Ballungsgebieten.
Wie alle Ortsteile hat sich Medenbach mittlerweile zu einer Arbeitnehmerwohnsitzgemeinde mit vielen Auspendlern gewandelt.
Medenbach wurde erstmals in einer Urkunde im Jahr 1353 erwähnt, ist aber vermutlich schon einige Jahrhunderte älter. So ist zum Beispiel in einer Urkunde des Jahres 1048 die Rede vom Nachbarort Donsbach. Daraus lässt sich siedlungsgeschichtlich der Schluss ziehen, dass eine Reihe von Westerwalddörfern mit der Namensendung „Bach“ ebenfalls zu diesem Zeitpunkt bestanden haben.
Erdbach
Erdbach liegt in einem geschützten Talkessel, der sich nur nach Osten hin öffnet, in 320 m Meereshöhe. Innerhalb der 440 ha großen Gemarkung sind 300 Höhenmeter Unterschied zwischen dem Naturdenkmal „Dicke Eiche“ bei 280 m NN bis oberhalb des Breitscheider Flugplatzes bei 580 m NN festzustellen. Der Ort hat zur Zeit rund 720 Einwohner. In der gleichen Urkunde wie Breitscheid erstmals 1230 erwähnt, ist Erdbach natürlich viel älter. Funde aus der Späthallstattzeit (800-200 v.Chr.) belegen, dass sich Menschen in geschützten Talauen und in der nähe von starken Quellen bei Erdbach fest ansiedelten. Der Erdbach, der bei Breitscheid im „Kleingrubenloch“ versickert und nach 14-34 stündigem unterirdischen Lauf durch das 102,5 m tiefe Erdbachhöhlensystem in 1200 m Luftlinie Entfernung mit nahezu konstanter Temperatur zu allen Jahreszeiten in einer starken Karstquelle am Erdbacher Steinbruch wieder zu Tage tritt, gilt als größtes Karstphänomen in Hessen. Außerdem ist er Namensgeber des Ortes. Die Höhlen sind es auch, die Erdbach bereits seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen bekannt gemacht haben. Die Entdeckung des Herbstlabyrinth-Höhlensystems Mitte der 1990er Jahre, ein 380 Mio. Jahre alter Korallenstock mit über 3,5 km Länge und 77 m Tiefe einer der größten in Deutschland, hat überregional ein großes Echo hervorgerufen.
Neben Sinter- und Karsterscheinungen sowie Dolinenbildungen, sind Forscher auf 25 Mio. Jahre alte Reste tertiärer Großtiere wie Krokodil und Nashorn gestoßen, selbst der Neandertaler wird hier vermutet. Aber auch Fossilien, die vor 350 Mio. Jahren im Erdbacher Urmeer lebten, Höhlenbären und Grabbeigaben einer Bestattung aus der Zeit 500 v. Chr. in den Kult- und Wohnhöhlen, den „Steinkammern“, wurden gefunden. Sogar ein ganzes Zeitalter ist nach Erdbach benannt worden: „Erdbachium“
Gusternhain
Gusternhain am Fuße des Barsteins (614 m NN) in einer Höhe von 510 m gelegen hat eine Gemarkungsgröße von 500 ha. Der Ortsteil im Westen von Wald umgeben, nach Osten mit Blick über das Dilltal bis in den Raum Gießen, hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren. Bauwillige, darunter viele Aussiedlerfamilien, fanden hier ihre neue Heimat, bauten Häuser und Wohnungen und ließen die Einwohnerzahlen von 514 im Jahr 1987 auf jetzt 839 steigen.
Erstmals urkundlich im Jahre 1330 erwähnt, war der Ort lange Zeit eher landwirtschaftlich geprägt, aber auch Bergbau und das fast vergessene Häfnerhandwerk gehörten dazu. Wie die anderen Ortsteile fand auch in Gusternhain die Wandlung zu einer Arbeitnehmerwohnsitzgemeinde statt. Erfreulicherweise findet ein Teil der Bewohner noch immer Arbeit in den sich gut entwickelten mittelständischen Betrieben und Unternehmen.
Ein dunkler und tragischer Tag in der Geschichte Gusternhains war der 11.03.1945, wo ein folgenschwererer Bombenangriff, der eigentlich dem Flugplatz galt, 22 Menschenleben forderte und viele Häuser zerstörte oder beschädigte.
Rabenscheid
Der kleinste Ortsteil der Gemeinde mit 482 Einwohnern liegt direkt an der Westerwaldvariante des Rothaarsteigs in unmittelbarer Nähe des Dreiländerecks in rund 550 m Höhe ü. NN auf einem Hochplateau des Westerwaldes mit einer Gemarkungsfläche von 670 ha. Über die Geschichte Rabenscheids ist nicht viel bekannt. Gibt vielleicht der Name etwas her über seine Vergangenheit? Die Raben ? Gemeint sind damit nicht die krächzenden Krähen, sondern die großen Kolkraben, die klugen Vögel Wotans, die mit ihrem klangvollen Rufen die einst so dicht bewaldeten Höhen erfüllten.
Und das "Scheid" passt genau dazu, stand das Wort doch früher für "Grenzwald", ja für "Wald" überhaupt. Das "Dorf im Wald der Wotansvögel"; na, wenn das nicht ein ganz besonderer Name ist.
Fest steht, dass schon vor rund 2000 Jahren Menschen in kleinen Dörfern innerhalb der heutigen Gemarkung Rabenscheid gewohnt haben und dem Ackerbau nachgegangen sind.
Die heutigen Westerwalddörfer auf "-scheid" könnten vor etwa 700 bis 800 Jahren als Inseln in den damals noch geschlossenen "Wald im Westen" eingerodet worden sein. Waldbauern siedelten auf der Hochfläche und legten im Schutz der großen Waldungen ihre Äcker an. Und sie verweilerten das geschlagene Holz zu Kohlen, mit deren Hilfe sie aus dem vom Scheldewald her auf Eselsrücken herbeigeholten Roteisenstein das für sie notwendige Eisen erschmolzen. Spuren solch alter Eisengewinnung sind heute noch am "Rückerscheid" deutlich zu sehen.
Was ist geblieben im Wandel der Zeit?
Da ist vorweg die klar gegliederte, in sanften Linien und Wellen gerundete Landschaft mit ihren Wiesen- und Weidegründen, ihren Schutzhecken und der so wohltuend reinen Luft zu nennen, gleich schön zu allen Jahreszeiten.
Vor allem aber sind da die Rabenscheider selbst, trotz mancher "Blutauffrischung" doch rechte "Wäller geblieben, schlicht, treu und zuverlässig, ihr Dorf mit allen Fasern liebend und zugleich den Aufgaben unserer Zeit zugewandt, das Wort ihrer Väter beherzigend:
"De ahle Leu un de naue Wääg, den fiehrt mr noa!"